Kinder trauern anders


Wie Kinder trauern

KINDER ZEIGEN IN IHRER TRAUER SEHR WECHSELHAFTE GEFÜHLE

Eben waren sie noch tieftraurig, und gleich darauf lachen sie wieder vergnügt. Kinder leben in der Gegenwart und machen das, was sie gerade machen, mit Hingabe. Sie beschäftigen sich kaum mit Gedanken über Kommendes und können Gefühle nebeneinander stehen lassen. Das ermöglicht ihnen, mit den intensiven Gefühlen umzugehen, die während der Trauer auftauchen. 

KINDER TRAUERN ANDERS ALS ERWACHSENE - SIE TRAUERN AUF IHRE WEISE

Sie drücken ihre Trauer weniger über die Sprache aus, weil ihnen die Reife und die Worte fehlen, um ihre Gefühle benennen zu können.

KINDER DRÜCKEN IHRE TRAUER IM SPIEL AUS

Ihre Gefühlswelt und ihre Gedanken spiegeln sich im Spiel, beim Malen und in anderen Aktivitäten wider. In Rollenspielen bspw. spielen sie das Erlebte nach und verarbeiten es dadurch. Dabei zeigen sich sprunghafte Wechsel von Traurigkeit zu Spiel und Spaß. 

KINDER DRÜCKEN IHRE TRAUER IN VERÄNDERTEN VERHALTENSWEISEN AUS

Kinder werden im Trauerprozess von Emotionen überwältigt und begreifen nicht, was mit ihnen geschieht. Sie wollen möglichst "normal" sein und versuchen alles, was sie verunsichert, zu verdrängen. Wenn man ihnen dann keine Gefühlsregungen anmerkt und sie weiterleben, als sei nichts passiert, sind Erwachsene besonders irritiert und verunsichert. 

TRAUER DRÜCKT SICH NICHT NUR IN TRÄNEN AUS

  • Kinder verlieren die Freude an Dingen, die ihnen vorher Spaß gemacht haben.
  • Kinder fallen nicht selten in frühere Entwicklungsphasen zurück (Bettnässen, Daumen lutschen) und "verlernen" zuletzt erworbene Fähigkeiten. 
  • Häufig kommen auch Schlafstörungen (Alpträume) und Konzentrationsschwierigkeiten (Rückgang der Schulleistungen) vor.
  • Einige Kinder ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück.
  • Manche Kinder übernehmen anfangs Verhaltensweisen des Verstorbenen oder tragen Gegenstände von diesem bei sich, um sich ihm nah zu fühlen. Manche Kinder übernehmen auch Aufgaben des Verstorbenen.
  • Jüngere Kinder suchen häufig den Verstorbenen - sie erwarten ihn wieder (ein Gedeck mehr am Tisch).
  • Wut ist eine häufige Reaktion der Kinder auf den Verlust. Sie werden abweisend, gereizt und aggressiv. Teilweise ist es eine allgemeine Wut, die willkürlich alle trifft (der Verlust wird als ungerecht angesehen) - teilweise ist sie gegen bestimmte Personen gerichtet und drückt sich in direkten Vorwürfen an die Eltern oder andere aus, die den Tod hätten "verhindern" können. Wütende Kinder wissen nicht, wie sie ihre Gefühle anderweitig ausdrücken können.
  • Kinder (Grundschulkinder) haben oft Schuldgefühle, die leider nicht selten von unbedachten Äußerungen der Erwachsenen herrühren (du bringst mich mit deiner ewigen Fragerei noch ins Grab, ist ja zum Totlachen, mit ist sterbenslangweilig, ich könnte dich umbringen etc.). Manche Kinder glauben, an dem Tod in irgendeiner Weise schuld zu sein - ihn durch Gedanken und Wünsche herbeigeführt zu haben. Sie machen sich folglich Vorwürfe; oder sie fühlen sich schuldig, weil sie selbst noch leben.
  • Trauernde Kinder plagen oft Ängste. Sie haben Angst, sie selbst oder andere wichtige Bezugspersonen könnten ebenfalls sterben. Trennungsängste äußern sich in der Angst um die noch lebenden Angehörigen.

Vorstellungen über Sterben und Tod bei Kindern

Die Vorstellungen über Sterben und Tod sind bei Kindern sehr unterschiedlich. Sie sind abhängig von eigenen Erfahrungen mit diesem Thema, von Familiensituation und Wissensstand etc. Dennoch lassen sich grundsätzliche Aussagen darüber machen, welche Vorstellungen Kinder in verschiedenen Altersstufen haben.

 

Kinder bis zu drei Jahren

In diesem Alter verbinden Kinder keine Vorstellungen mit den Begriffen Tod und Sterben. Sie können sich die Welt nur als lebendig vorstellen (Teddy muss gestreichelt werden). Tot sein und weg sein sind gleichbedeutend. Die Abwesenheit eines geliebten Menschen löst eine traurige Stimmung aus.

 

Kinder zwischen drei und sechs Jahren

Die Kinder lernen in dieser Zeit, dass es Übergänge von beweglich zu unbeweglich – von lebendig zu tot gibt. Tot sein und wieder lebendig sein gehört zu ihrem Spielalltag. Dabei wird der Tod noch nicht als etwas Endgültiges erlebt, weil die Zeitvorstellung dafür fehlt. Der Tod wird als vorübergehender Zustand des Schlafens oder der Reise angesehen – als eine Art Abwesenheit, die sich wieder auflöst. Der Tod wird auch nicht als unvermeidlich erfasst. Durch bestimmte Verhaltensweisen kann er vermieden werden (verstecken). Er ereilt nicht sie selbst, sondern nur einige andere Menschen. Kinder in diesem Alter sind neugierig zu erfahren, was es mit dem Tod auf sich hat. Die entsprechenden Gefühle, die der Tod auslöst, fehlen noch.

 

Kinder von sechs bis neun Jahren

Das sachliche Interesse am Tod ist jetzt am größten. Am Ende dieser Altersstufe interessieren sich Kinder nüchtern und wissbegierig für alles, was mit Tod, Leichen, Beerdigung, Friedhof usw. zu tun hat. Ihnen wird bewusst, dass der Tod etwas Dauerhaftes und Endgültiges ist. Sie stellen sich den Tod personifiziert vor (Sensenmann, Skelett) und verbinden mit ihm nun auch entsprechende Gefühle, Trauer und Angst. Ängste vor dem Tod der Eltern treten auf. Mit ca. acht Jahren wird das Sterben auch als eigenes Schicksal angenommen. Die Frage taucht auf, was nach dem Tod kommt. Die Kinder beginnen, bei dem für sie unannehmbaren und unerträglichen Gedanken des eigenen Sterbens an die Unsterblichkeit des Menschen zu glauben.

 

Kinder von zehn bis zwölf Jahren

Kinder in dieser Altersstufe wollen die Realität begreifen. Einige haben auch schon eigene Erfahrungen mit Sterben und Tod gemacht (Großeltern, Tiere). Sie empfinden die gleichen Trauergefühle wie Erwachsene und haben ernsthafte Befürchtungen um den Verlust geliebter Menschen. Das Bewusstsein, selbst älter zu werden und sterben zu müssen, ist entwickelt.

 

Jugendliche ab zwölf Jahren

Sie können die Endgültigkeit und die Bedeutung des Todes emotional weitreichend erfassen. Alle wesent-lichen Denkmuster, die auch Erwachsene haben, sind ihnen kognitiv zugänglich. Abwehr und Unbehagen dem Tod gegenüber können sie schroff formuliert zum Ausdruck bringen. Der Tod wird als unausweichliches Ereignis akzeptiert.

Kinder brauchen in ihrer Trauer...

... EINE VORBEREITUNG AUF DAS EREIGNIS DES TODES

Kinder sollten behutsam auf die Themen Sterben und Tod vorbereitet werden, besonders, wenn ein nahes Familienmitglied im Sterben liegt.

... INFORMATIONEN

Für Kinder ist es wichtig, in den Prozess der Trauer mit einbezogen zu werden. Bemühungen, das Kind schützen zu wollen, können dem Kind sehr schaden. Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt und fühlen sich ausgeschlossen, wenn niemand mit ihnen darüber spricht. Kinder haben das Recht zu erfahren, was passiert ist. Sie sollten kindgerecht über die Umstände des Todes informiert werden - was geschehen ist und was die nächsten Schritte sind. Erwachsene sollten nie ausweichend oder vertröstend auf die Fragen des Kindes antworten, in der Hoffnung, das Kind würde wieder vergessen, was der Erwachsene nicht beantworten will oder kann. Erwachsene können einen guten Zugang zu Kindern finden, wenn sie ihre Fragen ehrlich und offen beantworten, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Kinder fragen von sich aus (meist sehr direkt), wenn sie mehr wissen wollen und beenden ihr Fragen von selbst, wenn sie genug erfahren haben. Es ist normal, dass kleine Kinder ihre Fragen über den Tod wiederholen. Sie lernen durch Wiederholungen und müssen deshalb immer wieder die Geschichte des Geschehenen hören.

... KEINE SPRÜCHE UND AUSFLÜCHTE

Umschreibende Formulierungen, die das Kind vermeintlich schützen sollen, verwirren und verunsichern es mehr, als dass sie ihm helfen. Wer mit Kindern über den Tod spricht, sollte konkrete und einfache Worte wählen. Den Tod abmildernde Umschreibungen können Ängste und Schuldgefühle hervorrufen. 

Beispiele:

"Opa ist für lange Zeit weggegangen" - Warum ist er einfach verschwunden? Folge: Wut, Schuldgefühle

"Oma ist eingeschlafen" - Schlaf und Tod sind dasselbe. Folge: Einschlaf- und Schlafstörungen

"Wir haben Opa verloren": Kein Problem, dann müssen wir Opa eben suchen!

"Du bringst mich mit deiner ewigen Fragerei noch ins Grab" - Folge: Ängste und Schuldgefühle

... DEN REALEN ABSCHIED VOM VERSTORBENEN

Kinder, sofern sie es wünschen, sollten in die wichtigen Dingen einbezogen werden, die im Zusammenhang mit dem Tod bzw. dem Verstorbenen stehen (Abschied nehmen, Gestaltung der Trauerfeier usw.). Nachdem mit dem Kind über die Trauerfeier gesprochen wurde und ihm der Ablauf und die Umstände in altersgerechter Sprache erklärt wurden, sollte es sich entscheiden können, ob es an der Trauerfeier teilnehmen möchte oder nicht. Es sollte an der Seite eines vertrauten Menschen den Abschied in der Geborgenheit und im Schutz spürbarer Nähe erleben dürfen. Man sollte darauf vorbereitet sein, dass das Kind seine Meinung kurz vor oder während der Beisetzung ändert. Es sollte dann die Möglichkeit bestehen, dass das Kind die Trauerfeier mit seiner Begleitperson verlassen kann.

... AUFMERKSAME BEGLEITER

Alle Fragen des Kindes sollten offen und ehrlich beantwortet werden, jedoch mit Einfühlungsvermögen und Vorsicht (Wie hast du dir das gedacht?) Diese Behutsamkeit ermöglicht es, die kindlichen Vorstellungen zu erkunden und vermeidet eine Überforderung des Kindes. Ein Kind verlangt mit seiner Frage keine wissenschaftliche Erklärung, sondern Beruhigung und Klärung. Bei kindlichen Fragen ist immer auf die Motivation der Frage zwischen den Zeilen zu achten. Am Ende eines Gespräches sollte immer gefragt werden, ob das Kind mit der Antwort zufrieden ist bzw. ob ihm die Antwort ausreicht.

 ... MÖGLICHKEITEN, GEFÜHLE AUSZULEBEN

Erwachsene sind ein gutes Beispiel für Kinder, wenn sie ihre eigenen Gefühle zeigen und ausdrücken. Es entlastet das Kind, wenn es spürt, dass es weinen und Gefühle zeigen darf. Andererseits kann es zu einer Flucht in die Empfindungslosigkeit führen, wenn Gefühle abgewürgt werden und der gegenwärtige Schmerz geleugnet wird - wenn so getan wird, als ob der Verstorbene nicht fehlen würde.

... KONTINUITÄT UND VERLÄSSLICHKEIT

Wenn ein Todesfall eintritt, kommen meist andere Veränderungen hinzu. In der ersten Zeit erleichtert Routine das Leben, weil sie dem Kind verlässliche Sicherheit und Beständigkeit vermittelt. Sie helfen, Ängste abzubauen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Routine und Rituale sind wichtig - dazu gehört auch der gewohnte Ablauf des Schulalltags. Es sollte darauf gehört werden, was das Kind möchte, aber auch darauf geachtet werden, dass gewohnte Alltagsstrukturen beibehalten werden.

... RITUALE

Rituale, Symbole und "Spiele" helfen dem Kind, seine Trauer auszurücken, auszuleben und zu verarbeiten. Der Tod wird nicht verdrängt, sondern gemeinsam und aktiv bearbeitet.

... NONVERBALE AUSDRUCKSFORMEN

Im Spiel, beim Malen usw., aber auch über die Motorik können Kinder ihre Trauer ausdrücken. Es ist darauf zu achten, dass hier von Seiten der Erwachsenen immer wieder Impulse gesetzt werden, um die Ausdrucksformen des Kindes anzuregen.

... ERINNERUNGEN

Um Kinder zu schützen, wird manchmal alles beseitigt, was an den Verstorbenen erinnert. Doch es tut Erwachsenen und Kindern gut, wenn sie sich gemeinsam an den Verstorbenen erinnern können. Das verbindet die Hinterbliebenen, und der Verstorbene erhält einen Platz in ihrem Leben.

... ORTE DER BESINNUNG

Es ist wichtig, Kinder aus einer passiven Rolle herauszuholen und - gemeinsam mit ihnen - z. B. eine "Gedenkecke" einzurichten. An diesem Ort der Besinnung können sie inne halten, sich erinnern und Gefühle äußern. In diese Ecke können Dinge gelegt werden, die an den Verstorbenen erinnern. Hierher können Kinder auch ihre Bilder und Gebasteltes bringen, die sie für den Verstorbenen angefertigt haben. Ältere Kinder können auch einen Brief schreiben. Es ist ein tröstliches und entlastendes Gefühl, für den Verstorbenen noch etwas tun zu können.

... HOFFNUNG UND TROST

Glaubensvorstellungen über ein Weiterleben nach dem Tod, bildreiche und hoffnungsvolle Texte (z. B. aus der Bibel) können Kindern Trost und Halt bieten.

... AUCH "TRAUERFREIE" PHASEN

Trauer ist anstrengend. Phasen des Spielens, des Lachens und der Unbeschwertheit zwischen den Phasen der Traurigkeit sind wichtig, damit sich das Kind erholen und diese schwere Zeit überstehen kann.

Empfehlenswerte Literatur

Titel: Abschied von der kleinen Raupe

Autor: Heike Saalfrank, Eva Goede

Für Kinder ab 3 Jahren

 

Titel: Abschied von Opa Elefant

Autor: Isabel Abedi, Miriam Cordes

Für Kinder ab 3 Jahren

Kinder trauern anders, Trauerbegleitung für Kinder

Titel: Über den großen Fluss

Autor: Armin Beuscher, Cornelia Haas

Für Kinder ab 3 Jahren

 

Titel: Ein Himmel für Oma.

Ein Bilderbuch über das Sterben und den Tod

Autor: Antonie Schneider

Für Kinder ab 4 Jahren

 

Titel: Ente, Tod und Tulpe

Autor: Wolf Erlbruch

Für Kinder ab 4 Jahren

 

Titel: Leb wohl, lieber Dachs

Autor: Susan Varley

Für Kinder ab 4 Jahren

 

Titel: Hat Opa einen Anzug an?

Autor: Amelie Fried, Jacky Gleich

Für Kinder ab 4 Jahren

 

Titel: Pele und das neue Leben.

Eine Geschichte von Tod und Leben

Autor: Regine Schindler, Hilde Heyduck-Huth

Für Kinder ab 4 Jahren

 

Titel: Abschied von Rune

Autor: Marit Kaldhol, Wenche Oeyen

Für Kinder ab 5 Jahren

 

Titel: Adieu, Herr Muffin

Autor: Ulf Nilsson, Anna-Clara Tidholm

Für Kinder ab 5 Jahren

 

Titel: Der alte Bär muss Abschied nehmen.

Eine Bilderbuchgeschichte über den Tod

Autor: Udo Weigelt, Christina Kadmon

Für Kinder ab 5 Jahren

 

Titel: Die besten Beerdigungen der Welt

Autor: Ulf Nilsson

Für Kinder ab 5 Jahren

 

Titel: Du wirst immer bei mir sein

Autor: Inger Hermann, Carme Sole-Vendrell

Für Kinder ab 5 Jahren

 

Titel: Nie mehr Oma-Lina-Tag?

Autor: Hermien Stellmacher, Jan Lieffering

Für Kinder ab 5 Jahren

 

Titel: Servus Opa, sagte ich leise

Autor: Elfie Donnelly

Für Kinder ab 7 Jahren

 

Titel: Wohnst du jetzt im Himmel?

Traueralbum zur eigenen Gestaltung

Autor: Jo Eckardt

Für Kinder ab 8 Jahren

 

Titel: Bis dann, Simon

Autor: David Hill

Für Jugendliche ab 12 Jahren

 

Titel: Und wenn ich falle? Vom Mut, traurig zu sein

Autor: Marie-Therese Schins

Ein Buch von Jugendlichen für Jugendliche

 

Titel: Kinder trauern anders. 

Wie wir sie einfühlsam und richtig begleiten

Autor: Gertrud Ennulat

Für Erwachsene

Lacrima

Zentrum für trauernde Kinder, Jugendliche und deren Angehörige

Ansprechpartnerin: Ursula Gubo

Bucher Str. 123

90419 Nürnberg

Tel. 0911 - 27257-0

www.johanniter.de/bayern

www.lacrima-mittelfranken.de

 

Trauerbegleitung, Trauergruppen für Kinder und Jugendliche

KHD – Kinder-Hospiz-Dienst, Erlangen

Hospiz Verein Erlangen e.V.

Rathenaustr. 17

91052 Erlangen

Tel. 09131 – 940560

www.hospiz-erlangen.de